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Der Traum vom runden Tritt

Ob Hobby-Radler oder Profi - jeder glaubt, er hat den runden Tritt. Doch keiner hat ihn jemals gesehen. Gibt es ihn überhaupt, den runden Tritt? Wozu sollte er nützlich sein? Welchen Vorteil hat ein geschmeidig pedalierender Radsportler gegenüber einem stampfend tretenden Hobby-Radler?

Wirkungsvolle Trettechnik kann den Wirkungsgrad des Krafteinsatzes erheblich verbessern. Das Verbesserungspotential ist umso größer, je näher man sich mit seiner heutigen Trettechnik bei einem Stampfer befindet. Einen Radler mit Rundtritt-Schwächen erkennt man am Auf- und Abwippen mit dem Oberkörper oder am Sattelhüpfen und Rutschen auf dem Sattel von rechts nach links. Der obere Teil der Kette ist nicht immer straff und hüpft ebenfalls. Die extremste Form des Stampfers ist das Treten mit den Fersen, wobei die Fußspitzen nach außen zeigen.

Wie kann man seine Trettechnik optimieren?

Der runde Tritt findet als erstes im Kopf statt. Man stelle sich vor, dass man sein Rad nicht mit den Beinen und Füßen, sondern mit den Armen und Händen bewegt. Für die Hände und Arme ist es biomechanisch kein Problem die Kurbel so zu bewegen, dass bei einer Kurbelumdrehung die Krafteinwirkung immer optimal im rechten Winkel zur Kurbel einwirkt. Das ist nur deshalb möglich, weil wir mit den Händen das Pedal fest greifen können. Unsere Hand- und Armmuskulatur ist so vielseitig, dass wir sowohl drücken, ziehen, heben und schieben können. Wollen wir das gleiche Kaffeemühlenspiel mit den Beinen und Füßen machen, sind hier rasch Grenzen festzustellen. Diese Grenzen können mit entsprechender Technik überlistet werden.

Voraussetzung für eine effiziente Trettechnik ist die richtige Sitzposition, das ist die Höhe und die Lage des Sattels zum Tretlager (s. INFO 4/2001). Der Fuß muss an der richtigen Stelle mit dem Pedal fest verbunden sein. Zum Beispiel durch Klickpedale oder klassisch mit Haken und Riemchen. Der runde Tritt besteht darin, dass die von den Beinen erzeugten Kräfte an jedem Punkt der Kurbelbewegung im rechten Winkel auf die Kurbel wirken. Alle Kräfte, die nicht in dieser Richtung wirken, sind vergeudete Kräfte, die nur die Kurbel längen oder stauchen, das Tretlager beanspruchen und nicht dem Vortrieb des Rades dienen.

Ein Tretzyklus hat vier Funktionsphasen:

 

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1. Druck:
1:30 – 4:30 Uhr
2. Zug:
4:30 – 7:30 Uhr
3. Hub:
7:30 – 10:30 Uhr
4. Schub:
10:30 – 1:30 Uhr

1. Druckphase
In der Druckphase kann der große vordere Oberschenkelmuskel das Pedal bequem und kräftig nach unten drücken. Der Wirkungsgrad beträgt bis zu 90 %. Die gesamte Pedalkraft wird ohne nennenswerte Verluste auf die Kette übertragen.

2. Zugphase
In der Zugphase kann durch Kippen des Fußes durch den Streckmuskel des Beines nur ein geringer Vortrieb des Rades erzeugt werden. Nur 25 % des Kraftaufwandes werden genutzt. 75 % der Kraft werden vergeudet.
Man sollte daher in diesem Bereich wenig Kraft einsetzen und diese Phase zur Erholung der Muskulatur nutzen.

3. Hubphase
In der Hubphase kann bis zu 60 % der Kraft verschwendet werden, wenn man nicht aktiv das Bein anhebt, sondern die Last des Beines durch das andere Bein, welches sich in der Druckphase befindet, hoch hebt. Bis zu 30 % Verbesserungspotential schlummern hier in der Hubphase, wenn man sich angewöhnt, das Bein aktiv anzuheben, wie man es z. B. beim Treppensteigen automatisch macht.

4. Schubphase
In der Schubphase beträgt der Wirkungsgrad bis zu 75 %.
Es lohnt sich, hier Kräfte zu mobilisieren. In dieser Phase wird der innere Teil der Oberschenkelmuskulatur aktiviert.

Das Geheimnis des runden Trittes besteht darin, diese 4 Phasen nahtlos und flüssig anzuwenden. Der Einsatz der Kräfte vom rechten und vom linken Bein muss um 180° phasenverschoben erfolgen. Das ist eine Meisterleistung der Koordinationsfähigkeit unseres Gehirns. Einige Tausend Kurbelzyklen bzw. Kilometer sind notwendig, bis das Gehirn automatisch die optimalen Kräfte an den Beinen zum richtigen Zeitpunkt zur Wirkung kommen lässt.

Um den runden Tritt zu üben, beginnt man im ebenen Gelände mit einer geringen Trittfrequenz von 40 – 60/min ohne größeren Krafteinsatz. Wenn Du die Abfolge der 4 Phasen gut beherrschst, dann erhöhe die Trittfrequenz auf 90 oder mehr pro Minute. Beobachte hierbei den oberen Teil Deiner Kette. Wenn sie immer straff bleibt und nicht hüpft, hast Du das Schwierigste schon geschafft.

Der nächste Schritt ist der Aufbau und die Kräftigung der für den runden Tritt notwendigen Muskulatur. Hierzu ist etwas Training erforderlich. Eine deutliche Verbesserung der Kondition ist nach einigen Wochen spürbar.

Für die Druckphase ist kein besonderes Training erforderlich, denn als richtiger Stampfer hast Du genügend Kraft. Für die Zugphase ist das Rollerfahren eine gute Übung. Du stehst mit dem linken Fuß auf der rechten Pedale und stößt Dich kräftig mit dem rechten Fuß nach hinten ab. Nach ca. 100 Metern wechselst Du die Seite; d.h. rechtes Bein auf linke Pedale.

Für die Hubphase eignet sich hervorragend der Stäffeleslauf. Hier muss das hintere Bein aktiv angehoben und auf die nächste Stufe gesetzt werden. Das vordere Bein übt gleichzeitig die Druckphase, was kein Nachteil ist.

Um die Schubphase zu trainieren, setzt man sich auf einen Stuhl und versucht mit einem Fuß den Stuhl nach hinten wegzuschieben. Wenn man hierbei mit dem anderen Fuß dagegen hält, wird gleichzeitig die Zugphase dieses Beinen aktiviert.

Es lohnt sich, den runden Tritt zu erlernen.
Er hilft Dir deine Kraft so einzusetzen,
dass Du Dein Ziel mit weniger Anstrengung erreichst.

(Ortwin Engfer)

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